IG Innenhof Bertastrasse
Nachbarschaftsinitiative lanciert Sammelrekurs
Stadt Zürich bewilligt 24-Stunden-Gastronomie im Wohnquartier
Die «Dicke Berta AG» will an der Bertastrasse 6 ein Boulevard-Café mit einer Lounge-Bar für 300 Gäste eröffnen. Die Stadt Zürich hat dafür durchgehende Öffnungszeiten bewilligt. In der Nachbarschaft formiert sich Widerstand.
Der Stadtrat von Zürich hat mit dem Bauentscheid vom 2.2.2022 die Bewilligung erteilt, das Erd- und Untergeschoss der Bertastrasse 6 im 24-Stunden-Betrieb als Boulevard-Café und Nachtgastronomie mit Disco/Livemusik für mehrere hundert Gäste umzunutzen.
Die von Stadtpräsidentin Corine Mauch, Tiefbauamt-Vorsteher Richard Wolff und Schulamt-Stadtrat Filippo Leutenegger unterzeichnete Baubewilligung an die «Dicke Berta AG» will am Wochenende durchgehende Öffnungszeiten gestatten, während die Bewilligung unter der Woche täglich Öffnungszeiten bis 4 Uhr in der Früh erlaubt. Damit droht in einem weitherum geschätzten Viertel der Stadt Zürich ein neuer Nachtlärm- und Littering-Brennpunkt, der die sensible Balance zwischen Wohnnutzung und Nachtgewerbe im Quartier zum Kippen bringt.
Die Nachbarschaft der Bertastrasse 6 befürchtet durch die aktuelle Bewilligungspraxis eine massive Beeinträchtigung der Lebensqualität, die sich auf das gesamte Quartier und darüber hinaus ausbreiten könnte. Neben Littering (Glasscherben, Erbrochenes, Urin) und motorisiertem Mehrverkehr ist mit einer unablässigen Lärmbelastung durch das Ausgang-Publikum zu rechnen, das sich unvermeidlich rund um die Liegenschaft sowie in den angrenzenden Innenhöfen aufhalten wird.
Mehrere Dutzend Anwohnende rund um die Bertastrasse 6 und Eigentümer der umliegenden Liegenschaften haben sich in einer bunt durchmischten Interessengemeinschaft organisiert, um einer solchen Entwicklung frühzeitig gegenzusteuern. Die «IG Innenhof» hat mit der finanziellen Unterstützung von 36 Personen einen Sammelrekurs gegen die Baubewilligung der Stadt Zürich eingereicht, um zunächst auf dem Rechtsweg frühzeitig eine fehlgeleitete Entwicklung zu verhindern. Auch angrenzende Hauseigentümerschaften haben unabhängig von der IG Innenhof Rekurse eingereicht.
Aus Sicht der Rekurs-Parteien weist die nachlässig durchdachte Baueingabe diverse baurechtliche Mängel und Verletzungen umweltrechtlicher Vorgaben auf. Ebenso lässt auch die Bewilligung durch die Stadt Zürich jede vorsorgliche Verpflichtung eines betrieblichen Sicherheitskonzepts vermissen.
Damit schafft der Stadtrat in einem – mit einem gesetzlich vorgeschriebenen Wohnanteil von mindestens 80% – sehr dicht bewohnten Quartiere der Stadt Zürich einen beispiellosen Präzedenzfall, der die Lebensqualität empfindlich beschneidet und auch für weitere vergleichbare Wohnquartiere ein beunruhigendes Signal setzt. Denn es ist davon auszugehen, dass die Bewilligungspraxis Schule macht und sich im Quartier und darüber hinaus weitere Clubs mit durchgehenden Öffnungszeiten und sehr hohen Besucherzahlen ansiedeln werden.
Mit der Bewilligung einer Nachtgastronomie für mehrere hundert Gäste und durchgehenden Öffnungszeiten an der Bertastrasse 6 gefährdet die Stadt Zürich die bestehende «Nutzungsbalance», die sie ironischerweise selbst in ihrem Strategie-Schwerpunkt Nachtleben für eine hohe Lebens- und Wohnqualität definiert hat.
Bisher befinden sich keine Zürcher Nachtgastronomie-Betriebe in Quartieren mit einem vergleichbar hohen Wohnanteil wie rund um die Bertastrasse. Wenn die Stadt den einzigartigen Charme eines sozial immer noch einigermassen gut durchmischen Quartiers und damit ihr eigenes Erfolgsmodell nicht gefährden will, muss sie einer sensiblen Nutzungsbalance Sorge tragen.
Lärmintensive Nachtgastronomie-Projekte in der Nachbarschaft wie das «Minirock» an der Badenerstrasse 281 mussten nach langwierigen und für alle Beteiligten aufreibenden Lärmklagen geschlossen werden. Auch rund um den Idaplatz beschäftigt die Lärmbelastung die Polizei regelmässig. Es ist zu erwarten, dass mit der Ansiedlung einer Non-Stop-Gastronomie vermehrte Lärmklagen die bisher weitgehend friedliche Koexistenz mit den bestehenden Gastronomiebetrieben gefährden und damit der Stadtpolizei einen für alle Beteiligten nervenaufreibenden Mehraufwand bescheren.
Die vorliegende 24-Stunden-Bewilligung mit den entsprechenden Lärmimmissionen beeinträchtigt nicht nur die Lebensqualität, sondern gefährdet vorsätzlich die Gesundheit der ansässigen Erwerbs- und Wohnbevölkerung sowie deren Kinder. Damit nimmt die Stadtregierung fahrlässig eine Verdrängung der ansässigen Bevölkerung in Kauf, womit sich letztlich auch der Druck auf bezahlbaren Wohnraum weiter erhöhen wird.
Die Bertastrasse liegt in einem Stadtquartier mit einem hohen, gesetzlich vorgeschriebenen Wohnanteil von mindestens 80%. Die Verkehrsberuhigung der nahegelegenen Sihlfeld- und Weststrasse hat zwischen den lebendigen «Epizentren» am Lochergut, Idaplatz und Brupbacherplatz ein beliebtes Wohn- und Ausgangsquartier mit hoher Lebensqualität entstehen lassen. Die Kehrseite dieser Entwicklung ist eine rasant fortschreitende Gentrifizierung mit Luxussanierungen und entsprechend unkontrolliert steigenden Mieten.
Die Transformation eines Stadtteils zu einer 24h-Ausgehmeile beschleunigt diesen Verdrängungsprozess. In direkter Nachbarschaft der Bertastrasse 6 sowie der umliegenden Wohnhäuser leben Familien mit Kindern, Selbständigerwerbende sowie betagte Menschen mit bescheidenen finanziellen Mitteln, die kaum auf alternative Mietwohnungen ausweichen können. Die Wohnungsmieten bei Neuverträgen sind für Familien und Personen mit niedrigem Einkommen bereits heute kaum bezahlbar. Bei einer Kündigung sind langjährige Quartierbewohnende oft gezwungen, ihr vertrautes Wohnumfeld zu verlassen, womit im Viertel die soziale Durchmischung zunehmend verloren geht.
Weshalb die Stadt Zürich in sensiblen Wohnquartieren ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der Bevölkerung Nachtgastronomie mit durchgehenden Öffnungszeiten bewilligt und dafür nicht Gewerbe- und/oder Dienstleistungsgebiete oder Quartiere mit tiefem Wohnanteil für solche Nutzungen vorsieht, bleibt rätselhaft und soll deshalb gerichtlich beurteilt werden.
Parallel zu den Rekursen hat sich als partnerschaftlich organisierte Nachbarschaftsinitiative die Aktion www.liebe-berta.ch formiert, die über das Quartier hinaus immer mehr Unterstützung erhält und in den kommenden Wochen kontinuierlich den Druck auf den Stadtrat unter der Federführung der Stadtpräsidentin Corine Mauch erhöhen wird, ihre fehlgeleitete und sorglose Bewilligungspraxis zu korrigieren.
Download
PDF
Word Dokument
IG Innenhof
Verein Liebe Berta
Zentralstrasse 138
8003 Zürich
IBAN:
CH63 0900 0000 1585 3396 9
Einzahlungsschein